Zeit im Bild 2018

Link: Bilder der Eröffnung von der Ausstellung in der Galerie Amart, Wien

Bodo Hell zu Zeit im Bild:

die Malerin, Holzschneiderin und Zeichnerin Linde Waber bleibt sich in dieser umfangreichen Ausstellung (mehrdeutiger Titel: Zeit im Bild) mit ausschließlich neuen Bildern gewiß treu, aber auch wiederum nicht: treu nämlich in der gewohnten und belebenden Einbeziehung von Weggefährten ihres künstlerischen Umkreises aus verschiedenen Sparten (Musik, Bildende Kunst, Theater, Literatur), hier speziell der Sprachkunst mit und von Friederike Mayröcker (ihrem vorausleuchtenden Lebensstern), andererseits zeigt sich Linde Waber als (sich selbst) untreu insofern, als hier nicht ‚Tageszeichnungen’ unter Einbeziehung der am jeweiligen Tag Anwesenden gezeigt werden (also Früchte einer täglichen Arbeitsfron/Meditation über Jahrzehnte hinweg), sondern man erkennt direkt eingearbeitete Kunstwerke aus den vergangenen Zeiten (immer wieder Farbholzschnitte, davon auch besonders ansprechende Probedrucke), die das Zentrum und Substrat der neuen großformatigen Bilder bilden, ihrerseits durch umgebende malerische Formationen und Gestaltungen gerahmt (‚gnomenhafte Gestalten’ wäre zu viel gesagt), also durch farbige Figuren, welche im Bild quasi den Vorhang vor der Vergangenheit der Künstlerin beiseiteziehen, selbstverständlich geschieht diese Art einer collagierten Einbeziehung früherer Werke samt Anlaßgeberinnen (Namenspatroninnen) nicht platt und offensichtlich, ja die Betrachtenden können oft gar nicht erahnen, um welche Zeitschicht (etwa 70/80er-Jahre) und um welche Freundschafts-Personen als BildAnlaß es sich handelt (z.B. Istvan Szikszay, Stimm, Sulzer, Schwertsik, Einem/Ingrisch, Bennent/Lechner, Gerstl/Wimmer, Franzobel/Blaha, Kupferblum, Jandl, Jelinek, Sommer, Nali Gruber, Deppe, Hell

die Recapitulation der Vergangenheit im Heute (als Akt der Bewahrung samt Neuschöpfung) und gar ihre Extrapolation in eine mögliche Zukunft geschieht bei Linde Waber auf subtile Weise und folgt vermutlich bestimmten Vorgaben aus dem hervorgerufenen Malgestus und einem unbewußten Aufarbeitungsbemühen, bisweilen auch so prägnanten Aphorismen, das meint diversen Sprüchen auf Linde Wabers (realem) Lebenstuch (rot): was uns aber an den neuen Arbeiten unmittelbar anspricht, sind weniger diese (immer prekär formulierten und schwerlich umzusetzenden) Lebensdevisen (also der versteckte emblematische Text als subscriptio), sondern uns Betrachter attrahierend ist dieser Vorhang-Auf-Charakter der Großformate mit Blick in die Tiefe der Zeit, schon damals zum Bild geworden und also vom Kommenden überholt, zugleich im besten Sinn eines ErinnerungsTriggers für die Steuerung eines ‚künstlerischen Beatmungsgeräts’ aufgehoben: belebend allemal, daß wir da bei jedem Bild (nicht von ungefähr sind viele Draufsichten wie aus Luftschiffen dabei) mit der Gestalterin mehr oder minder stark mitatmen dürf

zum Begriff ZeitErleben bietet uns das Konversations-Lexikon folgenden Eintrag

unter Zeitbewußtsein versteht man das subjektive Erfassen objektiver Zeitverläufe im Sinne eines gerichteten Zeitpfeils, als Wahrnehmung einerseits der zeitlichen Folge, andererseits von Zeitintervallen.

Der als unmittelbar gegenwärtig empfundene Zeitraum heißt Präsenzzeit, er kann bis zu 6 Sekunden betragen, das eben noch unterscheidbare ZeitIntervall beträgt in Sehbereich 0, 02, im Hörbereich etwa 0, 002 Sekunden. Die Zeitwahrnehmung des Menschen bildet nicht einfach die physikalische Zeit ab. Eine Zeitspanne kann in einer starken Zeitdehnung oder Zeitraffung erfahren werden, was in großem Masse von der Ereignisfülle und von psychologischen Faktoren (wie MonotonieErleben, Aufmerksamkeit, Erwartung) anhängig ist. Außerordentliche Änderungen des Zeiterlebens treten bei Übermüdung, im Schlaf, im Traum, in Rauschzuständen und bei psychischen Krankheiten auf. Die Fähigkeit etwa, bei genau vorgenommener Zeit aufzuwachen (innere Uhr), beruht vermutlich auf einer unbewußten Orientierung am periodischen Ablauf der Stoffwechselvorgänge (Tagesrhythmik)

von der ungerichteten Gleichzeitigkeit von möglicherweise weit auseinander liegendem Dargestellten im künstlerischen Bild (wie auch in den Bildern Linde Wabers), gar von Verweisen auf die Zukunft in dergleichen Collagen, spricht solch ein Lexikon-Eintrag zum Zeitbewußtsein verständlicherweise nicht